Angdacht 3/2022

Fast ein Gebet

Die 4 Bitte im Vaterunser lautet ::„Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Luther schreibt dazu im Kleinen Katechismus ::„Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen und Trinken, Kleider und Schuh, Haus und Hof, Acker und Vieh, Geld und Gut, fromme Eheleute, Kinder und Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen."

Die Bitte um das tägliche Brot schließt nach Luther, die Bitte um alles, „was not tut“, die Bitte um alles, was wir für das tägliche Leben brauchen, mit ein. Aber was brauchen wir wirklich? In den vergangenen Jahren der Corona Pandemie mit ihren Einschränkungen, in den vergangenen Monaten des Ukraine Krieges mit ihren Preissteigerungen, im vergangenen heißen Sommer mit der großen Trockenheit mussten wir uns vermehrt fragen, was wir wirklich brauchen? Denn vieles, was bisher selbstverständlich war, ist nicht mehr bezahlbar und gegenüber nachfolgenden Generationen nicht mehr verantwortbar. Die Krisen dieser Tage zeigen uns, dass es so nicht weitergehen kann.

Vielen machen diese Krisen Angst. Sie fürchten, Heizkosten und Stromrechnung nicht mehr bezahlen zu können. Sie fürchten, die hohen Lebensmittelpreise nicht mehr bezahlen zu können. Sie fürchten, dass es kalt und dunkel wird in diesem Winter. Diese Ängste müssen ernst genommen werden. Niemand in unserem Land soll hungern und frieren. Damit aber alle genug haben, und nicht nur diejenigen, die es sich noch leisten können, sind Einschränkungen vonnöten. Dabei ist Solidarität gefragt und ein selbstkritisches Nachdenken darüber, was wir wirklich brauchen. Was wir nicht brauchen, was die Krise noch verschärft sind Hamsterkäufe, sind Angstmacherei, sind Krisen und Kriegsgewinnler, ist die Einstellung: Hauptsache, mir geht es gut! Hauptsache, ich muss nicht hungern und frieren. Hauptsache, ich muss keine Einschränkungen hinnehmen. Aber ein Weiter So geht nicht.

Seit Beginn der Corona Pandemie hängt ein Blatt mit einem Gedicht von Reiner Kunze in meinem
Arbeitszimmer. Das Gedicht heißt: „Fast ein Gebet“ und lautet so:

Wir haben ein Dach
Und Brot im Fach
Und Wasser im Haus
Da hält man‘s aus.
Und wir haben es warm
Und haben ein Bett.
O Gott, dass doch jeder
Das alles hätt‘!

Dieses Gedicht bringt für mich drei wichtige Dinge zum Ausdruck. Erstens: Die Besinnung auf das
Wesentliche; zweitens: Dankbarkeit gegenüber Gott für das, was wir haben. Und drittens: Mitgefühl auch für
die Bedürfnisse der anderen. Das sind drei Dinge, die uns persönlich gut tun und die uns helfen, die Krisen
dieser Tage zu bewältigen.

Ihr Pfarrer Jörg Scheerer